Teasern auf BILD-Niveau: Danke für nichts, ZEIT.

Es ist ja schon ein paar Tage länger her, dass ich in journalistischen Medien soetwas wie eine Ausbildung genossen habe. Doch diese Zeit war intensiv und lehrreich und einige wirklich gute Journalisten haben dafür gesorgt, dass es Lektionen gibt, die ich nicht so schnell vergessen werde. Ich erinnere mich an einen richtig kräftigen Anschiss ziemlich zu Beginn meiner Zeit bei Radio NORA:

Ich sollte für die Hauptnachrichten einen Teaser darüber schreiben, dass ein reicher Bürger der Stadt Husum eine große Stange Geld hinterlassen hatte und die Stadtoberen nun den Luxus genossen, zu entscheiden, was mit dieser Summe anzufangen sei. Ein Teaser ist eine sehr kurze Zusammenfassung eines Sachverhaltes, welche vor der Werbung gesendet wird und die Zuhörer dahingehend neugierig macht (im Jargon: an-"teasern"), dranzubleiben um zu erfahren, worum es da genau geht - und sich nebenbei die Werbung anzuhören. Soweit, sogut. Ich grübelte also ein wenig und entschied mich für einen Knaller. Irgendwas mit "Alle Menschen haben Probleme, dass ihr Konto leer ist, die Stadt Husum hingegen hat gerade das Luxusproblem, nicht zu wissen, was sie mit überschüssigem Geld anstellen sollen" ... halt in die Richtung irgendwie. Ist jetzt auch schon 13 Jahre her, ist mir also nicht mehr so präsent.

Was mir jedoch sehr präsent ist, ist der Anranzer, den ich vom damaligen NORA-Nachrichtenchef Jan Czemper dafür kassiert habe: Was mir einfiele, solche Platitüden zu schreiben! Dass er mir problemlos zahlreiche Menschen in seinem eigenen Bekanntenkreis nennen könnte, die überhaupt keine Geldprobleme hätten! Dass ich aber ruckzuck diese Haltung ablegen sollte, dass alle Bürger arm und bedauernswert und unterdrückt und was auch immer seien, so lange ich dafür nicht den Beweis erbringen könnte.

"Differenzieren lernen!" war das Stichwort, dass ich seitdem versuche zu beherzigen. Okay, klappt nicht immer.  Gerade im persönlichen Bereich oder bei einer hitzigen Diskussion rutschen mir immer wieder Allgemeinplätze heraus, aber Leben bedeutet Lernen und ich hoffe, dass ich da irgendwann über mich herauswachse.

Ich bin kein Absolvent einer Journalistenschule, habe keinen Vertrag mit einem renommierten Verlag o.ä. Ich bin als Bürgerjournalistin aktiv und balanciere regelmäßig auf dem schmalen Grad zwischen Journalismus und PR. Vielleicht ärgert mich deswegen, wenn ich mitbekomme, dass eben solche Menschen, die o.g. Kriterien erfüllen, simple Dinge nicht beachten. So geschehen aktuell in der ZEIT, dem Wochenblatt, dass für sich einen gewissen journalistischen Standard definiert hat.

In meiner Facebook-Timeline "grassiert" (aktuell 5 Personen, die ihn geteilte haben) gerade ein Artikel aus der ZEIT, in der eine Autorin höchstpersönlich erklärt, warum sie Mitglied einer Partei ist (welche das ist, ist egal). Das ist prinzipiell erstmal interessant. Doch der erste Satz in der FB-Vorschau lautet: "Wer in einer Partei aktiv ist, erntet bestenfalls Unverständnis, gerne auch Häme und Hass."


WTF?! Ich kann zum Beispiel problemlos anhand von FB-Postings in meiner Timeline widerlegen, dass zahlreiche Menschen, die in Parteien aktiv sind, dafür Lob und Streicheleinheiten kassieren, und anzeigen, dass politisch interessierte Menschen, die in keiner Partei organisiert sind, dafür reichlich Häme kassieren oder ihnen gar ein Wissen um Politik und politische Zusammenhänge abgesprochen wird. Allerdings käme ich nie auf die Idee, dies zu verallgemeinern. Keine Ahnung, ob der Artikel danach besser wird. Ich weiß nicht mal, wer ihn geschrieben hat, denn ich habe den Link nicht angeklickt. Ich ärgere mich einfach darüber, dass selbst die ZEIT mit solch billigen Teasern arbeitet - eine Entwicklung, die auf Kosten journalistischer Qualität geht. Schade.