Ich ärgere mich. Mal wieder. Vielen Dank, SPD.

Eigentlich wollte ich zu dieser NSA-Sache gar nichts sagen. Warum? Weil ich es gar nicht richtig verstehe. Ich lese und lese und lese - und habe immer noch nur am Rande begriffen, was da eigentlich passiert ist.

Warum ich trotzdem etwas darüber schreibe? Man könnte meinen, weil ich eine große Verfechterin der Bürgerrechte bin. Ich möchte nur soetwas ganz simples wie die Tatsache, dass Mails genauso wie Briefe behandelt werden. Videotelefonate im Netz genauso wie Anrufe über die Festnetzleitung einen höchstrichterlichen Beschluß benötigen, bevor man sie abhören darf. Also dass meine Daten und meine Privatsphäre vor sammelwütigen Behörden geschützt werden, egal aus welchem Staat sie kommen. Durch das globale Dorf ist mir egal, ob es die Amerikaner, die Chinesen, die Usbeken oder meine eigenen Landsmänner und -frauen sind, die mich überwachen. Niemand sollte das können, ohne dass ein starker Verdacht gegen irgendetwas besteht. Das kann ja eigentlich nicht so schwer sein, doch wenn ich sehe, wie in allen großen Parteien Panik geschürt und Bürgerrechte mit Füßen getreten werden (Drei Monate Vorratsdatenspeicherung sind genauso scheiße wie sechs Monate, Herr Oppermann von der SPD!!!!!!!!), könnte ich heulen. Kommt mir nicht mit "ich hab ja nix zu verbergen", auf dem Ohr bin ich echt taub. Meine Freiheit gebe ich nicht her. Wer aber doch soetwas denkt, sollte vielleicht den Text des von mir sehr geschätzten Michael Blume lesen (lohnt sich!).

Aber nein, das ist es gar nicht, warum ich hier wütend in die Tastatur hämmere. Sondern ich ärgere mich - mal wieder - über das Wahlkampfverhalten der Parteien. Oh Wunder ;)

Eigentlich ist es doch so: Jemand baut so richtig Mist oder ist zumindest dafür verantwortlich und bekommt dann Ärger. Richtig?

Die logische Kette wäre in diesem Fall: Die NSA spioniert Deutsche aus und die aktuelle Regierung sollte dann dazu Stellung nehmen und das Ganze aufklären. Sprich: Frau Merkel, kommen Sie vor das Mikro und reden Sie Klartext!

Wer kann das fordern?
Bürger. Menschen, die noch nie etwas mit Regierungsverantwortung zu tun hatten und deshalb soetwas nicht wissen können.

Wer sollte das nicht fordern, ohne sich lächerlich zu machen?
Andere Parteien. Lautstark lassen sich SPD und Co. darüber aus, dass die Merkel sich endlich mal melden sollte. Dass das alles gar nicht geht. Pressemitteilung über Pressemitteilung geht in den Lokalredaktionen ein, gefühlt jeder Ortsvorsitzende einer Partei der Opposition hat dazu eine Meinung.

Und da wirds dann himmelschreiend. Halten die mich wirklich für so doof? Ist unter Schröder, unter einem Außenminister Steinmeier nix derartiges passiert (Stichwort: Kurnaz)? Gehen wir mal weiter zurück - was ist mit Kohl und Brandt, mit Schmidt und himmelherrgott unter Adenauer? Ihr wollt mir nicht erzählen, dass unser "Premiumpartner" USA hier nicht irgendwie doch tun und lassen konnte, was sie wollten - mit eurem Wissen.

Gewußt haben wir es ja irgendwie alle, es aber in die Rubrik "schlechte Forsythe-Krimis" geschoben. Nun ist die ganze Sache dank Snowden real geworden und ich wünsche mir nicht nur Aufklärung, sondern vor allem dass es aufhört. Wohl ein frommer Wunsch. Was ich mir aber so gar nicht wünsche, ist diese unfassbar billige Art und Weise, in der jeder Krümel, der politisch aktiv ist, nun seinen Namen in die Waagschale wirft und irgendetwas fordert. Gern total diffuses "Merkel, sagen Sie etwas dazu!"

Wird eigentlich nur noch dadurch getoppt, dass dabei gleich zum Rundumschlag gegen alles und jeden ausgeholt wird, wie das Statement des Landesvorsitzenden der SPD hier in SH, das so wirr ist, dass ich die Kernaussage bis heute nicht verstanden habe.
Praktischerweise ist dieses Pamphlet so aufgebaut, dass jeder irgendeine Aussage darin toll findet und den Rest mit einem "Ach, der ist halt etwas in Rage" abtut. Aber jemand, der so lange im politischen Geschäft ist, der redet nicht einfach so daher. Herr Stegner und ich sind uns bereits im AudiMax der Uni Kiel begegnet, wo er mich nach der Frage der technischen Umsetzung einer Eincheck-Möglichkeit für Studenten (Datensammlung!) angeherrscht hat, wenn mir das Studienkontenmodell der SPD nicht passe, solle ich mir halt die CDU nach SH wünschen.
Wer es mal lesen will, es ist öffentlich bei FB: Statusmeldung von Ralf Stegner bei Facebook.
 Da fällt mir nur noch ein W T F ?! zu ein.

Um es mal zusammenzufassen: Da ist ein großer Mist passiert, der vermutlich schon Jahrzehnte andauert. Irgendwann läuft das Fass halt über, und derjenige, der dann "an der Macht" ist, muss das alles nun ausbaden. Doch anstatt dass alle Betroffenen (und das ist mehr als die aktuelle Bundesregierung) an einem Strang zieht, um die Bürger zu informieren, wird daraus Bundestagswahlkampf der allerbilligsten Sorte gemacht. Nein, ich nehme damit nicht die CDU in Schutz, im Leben nicht. Aber dieses Geheule, dass ich euch nicht abnehme, führt dazu, dass ich mich mehr über die teils armseligen Argumentationen von Seiten der Opposition ärgere, als dass ich Frau Merkel und ihren Stab tatsächlich in die Pflicht nehme. Ich sag es mal so: Dass die Opposition meinen berechtigten Zorn auf "die Politik" (ja, Herr Stegner, die gibt es tatsächlich, in diesem Fall seid ihr m.E. alle ein großer Sauhaufen!) ablenkt, in dem von dort eine dumme Aussage nach der nächsten kommt, die mir das Gefühl gibt, ich wäre als reiner Wähler nur dummes Abstimmvieh, DAS ÄRGERT MICH!

Übrigens: "Ja, aber ..."-Aussagen sind nicht erwünscht, aber im Zuge der freien Meinungsäußerung darf sich jeder gern daran abarbeiten, dass ich das alles nicht verstehe, sowieso keine Ahnung habe, die Zusammenhänge nicht erkenne, angeblich damit Wahlkampf für die CDU/FDP/Piraten/Violetten/Autofahrerpartei etc. mache, sonst doch so ein nettes Mädchen bin, wohl an PMS leide oder was euch sonst noch so einfällt. Wobei solche Aussagen ja in erster Linie bei FB/Twitter/G+ druntergesetzt werden. Aber: Fühlt euch frei.

Nachtrag:

Mein Negativ-Highlight in diesem Zusammenhang ist übrigens glücklicherweise nicht mir passiert - sonst wäre ich wohl mal zu einem klärenden Gespräch nach Berlin gefahren - sondern Alex. Zusammenfassung: Wer nicht politisch aktiv ist (also in einer Partei), ist nach Auffassung seines Gesprächspartners "unpolitisch". Ist das nicht schön?! :( Was kommt als Nächstes? Parteienzwang? Offenlegung der letzten getätigten Wahl, damit man weiß, mit wem man es zu tun hat?