Sonntagsgedanken zur Gemeindewahl Kiel

Heute ist Wahltag.
Ich hab mich schwergetan, mein Kreuzchen zu machen. Wie eigentlich fast jedes Mal. Aber ich habe mich ohne Gehhilfen ganz langsam auf den Weg in mein Wahllokal gemacht, um nicht nur "meine Bürgerpflicht" zu erfüllen, sondern auch von meinem Recht Gebrauch gemacht, meine Stimme jemandem zu (hoffentlich) treuen Händen zu übergeben.

Dies wird kein Rant auf die pöhsen Politiker, die simpel gestrickten Medien oder gar auf den dummen Wahlkampf. Nein.

Ich denke darüber nach, was ich in den letzten Tagen immer wieder zu lesen bekam: "Die Politiker scheren sich nur im Wahlkampf um uns - ansonsten weiß man gar nicht, was die tun.".

Ist das so?

Ich denke nicht. Vielleicht bin ich ja höchst romantisch, aber ich bin mir sicher, dass jeder aktive Lokalpolitiker in meinem weitesten Bekanntenkreis sich darüber freut, wenn ihn jemand fragt: "Sag mal - was tust Du eigentlich? Wofür habe ich Dich gewählt? Wie gestaltest Du politische Arbeit?" und dann auch gern Rede und Antwort steht. Natürlich haben (Lokal-) Politiker nicht auf jede Frage eine Antwort. Aber daraum geht es auch nicht, sondern darum, jemanden "live" zu erleben, der ja angeblich zu "denen da oben" gehört.

Wer nicht in den Dialog treten will, hat andere Möglichkeiten. "Man erfährt ja nichts!" ist so nicht richtig. Ich beschränke mich auf das Beispiel meiner Stadt Kiel (alles andere wird zu unübersichtlich): Hier kann man unter https://www.kiel.de/rathaus/index.php eine Menge Dinge erfahren.
  • Wie die Wahlen ausgegangen sind und wer in der Ratsversammlung sitzt. Was die dort besprechen, kann man sich auch noch später in dort verlinkten Videos ansehen.
  • Wie man sich selbst im eigenen Stadtteil im Ortsbeirat engagieren kann, ohne Mitglied einer Partei o.ä. zu werden.
  • Wie der Haushalt der Stadt Kiel eigentlich so aufgeteilt wird und wieviel Geld zur Verfügung steht.
  • Wer die Stadtpräsidentin ist und was sie bei Veranstaltungen so erzählt (Dokumente sind verfügbar zum download).
  • Welche Aufgaben die Oberbürgermeisterin erfüllen soll (wobei ich mir - und diese kleine Spitze sei mir erlaubt - zu Zeiten ihres Wahlkampfes nicht sicher war, ob sie diese Seite jemals gelesen hat).
  • Man kann per Online-Formular Ideen & Wünsche zu unterschiedlichen Bereichen abgeben.
Und das ist alles nur ein kleiner Teil der Informationsflut, auf die man zugreifen kann, wenn man nur auf den obigen Link klickt. Einfach mal machen und staunen.


Aber auch der direkte Kontakt klappt prima: Alle Menschen in der Stadtverwaltung, die ich mal wegen irgendeiner Frage angeschrieben habe, haben entweder schnell zurückgemailt oder mich einfach direkt angerufen und alles beanwortet, was ich wissen wollte. Auch Themen wie "Möbel Kraft", "KleinerKielKanal" oder "Wiker Balkon" sind im Netz mit wenigen Klicks erreichbar (genauso wie die Ansprechpartner am Telefon) und daher gibt es für mich keinen Grund, irgendwelchen obskuren Bürgerinitiativen Glauben zu schenken, die mir etwas vom Pferd erzählen - in der Hoffnung, dass ich der ehrlichen Empörung gern Glauben schenke und mich nicht selbst informiere.

Bei den Parteien ist der Informationsfluß hier und da etwas verbesserungswürdig, wenn es um Websites geht, aber auch dort ist mir noch nie passiert, dass jemand mir Antworten auf freundlich gestellte Fragen verweigert hat. Wer jedoch gleich schon auf Krawall gebürstet seine Litanei an Vorurteilen und Halbwahrheiten abspult und dann von all diesen ehrenamtlich tätigen Menschen verlangt, gefälligst genauso simple Antworten zu geben - da fehlt mir eine Menge Verständnis.

 Also: Ich kenne die allgemeine Politik(er)verdrossenheit und kann viele Vorwürfe, die sich so auf allen Kanälen sammeln, problemlos unterschreiben. Doch wenn es um kommunale Politik geht, ist es mir unverständlich, wie Menschen es schaffen, mir gequirlen Bockmist ins Gesicht zu erzählen, entweder, weil sie mich manipulieren wollen, oder weil sie es selbst nicht besser wissen.

Politiker werden nicht geboren, sondern wachsen an ihren Aufgaben, und wer sich mit informierten und interessierten Bürgern konfrontiert sieht, muss sich beim nächsten Mal etwas mehr ins Zeugs legen. Dies ist auf jeden Fall keine Einbahnstrasse, in der Ehrenämtler Antworten abzuliefern haben, auch wenn der schimpfende Bürger so manches Mal nicht mal die Frage kennt.

Geht wählen! Jetzt (Sonntag nachmittag, 16:25 Uhr) sind noch 1,5 Stunden Zeit dafür!