Ich bin die Jüngste und benötige den meisten Schlaf ..

Man muss sich das mal vorstellen:

Man sitzt morgens zusammen, die dem personal assistant bekannte Tagesplanung besagt ein Interview am Nachmittag, also ab ins Museum und Mittagessen, danach ein wenig Ausruhen für die kommenden Termine. Unser Weltklasse-Fahrer Eddy, der uns schon einen günstigen Telefonladen empfohlen hat, kannte auch einen klasse chin. Take-away, wo wir mal wieder hindüsten (und inzwischen bereits bekannte Stammkunden sind *lach*).
Überhaupt ist Eddy ein echter Gewinn für uns, keine Frage!
Dann ein Telefonat - das Interview wird noch später sein, dafür werden es zwei. Allerdings stressfreier im Hotel. Auch gut.
(Un-)glücklicherweise kurz ins Hotel geflitzt, und da lag sie - die wohl erst vor kurzem unter der Tür durchgeschobene Einladung zu einem sehr wichtigen offiziellen Termin (die Dame, der ich Tags zuvor auf den Fuß getreten bin, wünschte einen Eintrag in ihr goldenes Buch). Also schnell zurück gehetzt, meine "Reisegruppe" beim Mittagessen erwischt, kurz ins Büro gehetzt, Bericht erstattet. Die armen Mäuse da wurden auch nicht informiert. Typisch Messe also, oder sollte ich sagen, typisch Inder? *g*
Naja, mir wurde schon warm im Pulli, als ich mal wieder durch die Gänge des Hotels flitzte, da M. Devi und ihr Anhang mit der Limo unterwegs waren, musste Alex als Fahrer herhalten.
Lichtblick: Reisegruppe ist inzwischen in time im Hotel, Erziehungsminister, Botschafterin etc. werden gleich in der Kolonne losfahren, wir sind Wagen Nr. 3, könnten dann mal langsam los. Sanftes Drängen. Leicht stärkeres Drängen.
Aber der dominante Teil der Reisegruppe, der uns Gott sei Dank heute (Fr) verlassen hat, lächelte nur, lehnte sich zurück, ließ sich von mir Tee bringen und erklärte mir wie einem dummen Kind, dass Mahasweta Devi sich an keine Regeln halten müsse und daher das Hotel nicht verlassen sondern sich ausruhen würde. Argh! Ich war tatsächlich kurz vorm heulen und hab mich an meinem Becher Tee festgehalten ...
Eigentlich brodelte der Ärger über diesen Kerl schon seit Tagen und eigentlich hatte ich vor, ihm mal so richtig die Meinung zu geigen, da beginnt er plötzlich ÜBER MICH zu dozieren, informiert die beiden Damen, dass ich anscheinend ein typisches Exemplar der angepassten, den Regeln sklavisch folgenden jungen Europäerinnen sei.
Mein Einwand, dass es einen eklatanten Unterschied zwischen meinem persönlichen Verhalten und meinem Job gäbe, und das rebellieren rein um der Rebellion wegen irgendwie albern und vor allem unhöflich sei, wurde lächelnd mal wieder übergangen. *grmpf*
Tatsächlich hatte ich Mr. Oberschlau sogar einige Wünsche erfüllt und einen Gedichtband von Rilke sowie die Adressen und Telefonnummern von Sinti & Roma - Vertretungen in und bei Frankfurt. Als ich Buch und Zettel hervorzog, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und er meinte, dass diese Dinge das wichtigere "Golden book" seien, M.Devi lächelte nett dazu und ich war völlig ins Abseits gestellt. *doppelgrmpf*

Danach galt es, sowohl die Autorin als auch die Räumlichkeiten auf die TV-Interviews vorzubereiten. Das erste Date war mit einer leicht verpeilten Redakteurin einer ARD-Anstalt, deren englisch eher durchschnittlich war, die Qualität ihrer Fragen lag sogar noch darunter. Mahasweta Devi, selbst jahrelang (und immer noch) als Journalistin tätig, war danach entsetzt über sie.

Das zweite Interview sollte mit einem indischen TV-Sender stattfinden, NDTV. Schon im Foyer traf ich auf den Moderator von "Just books", Sunil Sethi, der mich mit warmem Lächeln begrüßte, gerade auf der Suche nach der perfekten Location für das Interview. Ich bot unser Wohnzimmer an, aber das schien ihm nicht spektakulär genug für M. Devi, ebenso seien die Lobby und die Bar dafür völlig inakzeptabel. Schön zu hören!

Seine Assistentin vom Goethe-Institut (ich hab ihren Namen vergessen, aber sie war mega-nett, liebe Grüße unbekannterweise!) und ich beguckten uns darauf hin das Lounge-Restaurant im 21. Stock und fanden einige Plätze mit großartiger Aussicht. Doch was sagte der Kameramann? "Fenster werden eh verschlossen wg. Gegenlicht". Argh!
Ich wurde gebeten, im Zimmer zu warten, als plötzlich der Anruf kam, ob es zu große Umstände mache, auf mein Angebot mit dem Wohnzimmer zurückzugreifen ... *lach*

Das Wohnzimmer wurde umgestellt, Sunil Sethi sehr sehr professionell und höflich, ohne dabei schleimig zu wirken. Dabei hat sie ihn auf freundliche Art zunächsteinmal entwaffnet, und das mit einer kleinen Bitte: "Please ask me INTELLIGENT questions."
Er fing ein wenig an zu stottern, versprach aber, sein Bestes zu geben. Armer Kerl, er konnte ja nicht wissen, was sie kurz zuvor mit der deutschen Dame erlebt hatte.

Ich war beim Interview zugegen und war sehr beeindruckt von seiner Professionalität. Seine Fragen beinhalteten sehr viele Informationen über Mahasweta Devi, damit auch der nicht so gut über M. Devi informierte Zuschauer sofort genügend Informationen hatte, ohne dass er sie zu Beginn hätte groß vorstellen müssen. Cleverer Schachzug, keine Frage.
Auch hat er alle Fragen, die er stellte, auch beantwortet bekommen, teilweise verpackte er die eigentliche Frage noch zwei Mal, bis sie trotz Ablenkungsversuche die Frage letztendlich beantwortete. Dazu sein sehr höfliches Auftreten, seine unverholene Bewunderung für Mahasweta Devi, das hat wirklich Spass gemacht. Obwohl ich feststellen durfte, dass ihm zeitweilig ein wenig die Hände zitterten. Ihr Hinweis auf die intelligenten Fragen hätte wohl jeden nervös gemacht. Habe ihn danach auch aufgeklärt *g* Beeindruckt hat mich auch sein Wortschatz. Sehr britisches Englisch, gewählt ausgedrückt.
Aber der Mann (sehr gepflegt, Alter daher schwer schätzbar, aber auf jeden Fall über 40) hat dann auch mein Herz erobert. Nachdem man mir schon tags zuvor ein Kompliment für meine Betreuung der journalistischen Besucher übermitteln ließ (ich wuchs gleich einen 1cm!) sparte auch er nicht an begründetem Lob über meine Arbeit, Hilfsbereitschaft und mein Mitdenken. Und dann kams: "Are you also Bengali?" Ich schwebte mind. 5 cm über dem Boden, dass ein Inder mich anhand meiner englischen Sprache für eine Inderin hielt! Über meine Antwort "daughter of an bombayian mother and a german father, living in germany" war er erstaunt und drückte mir ein zweites Mal seine Visitenkarte in die Hand.
Danach das normale Abendprogramm: Futter to go irgendwo besorgen (meist beim Chinesen), noch nen Tee zusammen trinken, Tagesplanung für den nächsten Tag besprechen - es geht endlich auf die Messe! -, noch nen Whiskey kippen und dann ab nach Hause, tot umfallen.
Während die Damen doch noch vergleichsweise fit und vergnügt wirken ....