Erster Tag auf der Messe ...

Nach der feierlichen Eröffnung am 3. und den TV-Interviews am 4. kamen wir nun endlich zu unserem ersten Tag auf der Messe.
Und natürlich quetschte sich auch meine Nemesis, der liiiebe Ganesh Devy mit in den Wagen. Na klasse. Meine Agentur hatte mir nur drei all-day Tickets gegeben, was war, wenn sie einen von uns nicht reinlassen würden?
Dann wäre es mal wieder die Schuld der personal assistant gewesen, zu blöd zu sein, um genügend Tickets zu organisieren ...
Aber meine Sorge war unbegründet, denn "unser" Wagen war mit einem Zettelchen ausgestattet, der uns an allen aufgestellten Hindernissen und Sicherheitsleuten vorbei direkt auf den Platz fahren ließ. *seufz* Sehr praktisch, muss ich sagen.

Nun also auf zum ersten Termin - Interview mit der Deutschen Welle, zu finden im Forum. Ich also fix hinein, und traf auf zwei Personen, die mich gleich erstmal in die nächste Halle schickten. "Sie müssen doch in unser Hörfunkstudio." - "Könnten Sie uns da vielleicht hinbringen?" - "Ich kann hier doch nicht weg!".
Stimmt, in der Halle war total die Hölle los und alle Menschen, die in den nächsten 3 Min. hereinströmen würden, würden seinen Kollegen belagern ...

Ärgerlicherweise hetzte der liebe Ganesh M.Devi gerade mal wieder auf, so dass sie sich weigerte, auch nur einen Schritt zu laufen. Ich sprach mit Engelszungen auf sie ein, bis sie sich zumindest in die nächste Halle bewegte, wo ich alle in einer Sitzgruppe Platz nehmen ließ, während ich die junge Dame am Info-Counter um Rat und Hilfe bitten wollte.
Schließlich waren wir vorgestern noch von den Obersten der Messe hofiert worden, da werden die wohl nen Rollstuhl organisieren.

Tja. Das Mädel am Counter war leider so überhaupt nicht beeindruckt. Muss ja auch nicht sein. Hilfsbereit war sie leider auch nicht. Zu meiner Nachfrage wegen eines Rollstuhls drückte sie mir eine Broschüre mit einer Telefonnummer in die Hand - mit dem Hinweis, dass es dafür eigentlich eh zu spät sei, da man sowas im Voraus hätte buchen sollen, und dem Verweis an die öffentliche Telefonzelle vor der Tür, obwohl sie ein Telefon am Stand hatte und intern auf der Messe bestimmt umsonst telefonieren konnte.
Aber der Knaller war ihre Antwort auf meine Frage nach dem Hörfunkstudio der Deutschen Welle - man erinnere sich, die Jungs hatten uns direkt in diese Halle geschickt - die da lautete: "Also hier sind die sicherlich nicht!"
???
Mein Einwand, dass Angestellte der Deutschen Welle uns genau in diese Halle geschickt hatten bequemte sie dazu, ihren PC nach Veranstaltungen zu besuchen und mir zu erzählen, dass am Sonntag irgendwas mit einem der Deutschen Welle in Halle 6.1 stattfinden würde, dann säßen die wohl auch da ...?
Ich hatte entschieden, dass diese Frau mir nicht weiterhelfen könnte und rief lieber meinen rettenden Engel, die Koordinatorin der Pressetermine an, um sie um den genauen Standort des Studios zu bitten. Und wo war es? Den Gang ein Stück entlang, bzw. gerade mal ein paar Schritte HINTER DEM INFO-COUNTER!

Während ich innerlich die Wände hochging, wurde Mahasweta Devi von den Leuten der Deutschen Welle Bengalen ehrerbietig und freundlich willkommen geheißen und ins Studio geführt, während ich mich auf die Suche nach einem Rollstuhl machte.

Die nette Stimme eines RotKreuz-Mitarbeiters leitete mich nahezu über das komplette Messegelände, bis ich endlich, nach zahlreichen Umwegen und Stufen in einem kleinen Büro auf gutgelaunte Rettungshelfer traf, die mir sowohl einen Rollstuhl aushändigten (nach Kaution und Kopie meines Personalausweises) als auch einen Short Cut durch den Hinterausgang zeigten.

Als ich mit dem Rollstuhl wieder am Studio angekommen war (und über die Anzahl der dummen Sprüche, die sich sinngemäß um "oh, bringen sie mich mal in Halle xy?" drehten) wa rdas Interview bereits beendet, doch wir waren eingeladen, auf Kaffee, Obst und Kekse noch einige Zeit zu verweilen.

Unsere nächste Station war dann der indische Pavillion, den ich möglichst frühzeitig aufsuchen wollte, um die Gegebenheiten zu besichtigen (komm ich da mit dem Rollstuhl hin?). Die Jungs vom bengalischen Team der Deutschen Welle waren so nett, uns dorthin zu begleiten, Ganesh schob natürlich den Rollstuhl, ich trabte zusammen mit der Schwester Sara hinterdrein.
Und kaum hatten wir die "indische Halle" betreten, war auch gleich die Hölle los!
Inder aller Couleur kamen aus ihren kleinen und größeren Verlagsständen, um Mahasweta Devi zu begrüßen, ihre Füße zu berühren und sie wimmelte diese nur verlegen lächelnd ab. Aber man merkte schon - hier war sie in ihrem Element *g* Und wer bei kleinen asiatischen Menschen mit klickenden Kameras nur an Japaner denkt, wurde eines besseren belehrt. Sogar Mütter schoben ihre Kinder zw. 6-12 vor, um M.Devi Guten Tag zu sagen. Was sie sichtlich freute. Denn so wie fast alle älteren Menschen beginnt ihr Gesicht zu strahlen, wenn sie auf Kinder, möglichst sehr jung, trifft.

Immer wenn es ihr zu voll um den Rollstuhl wurde, rief sie nach mir: "Daniellla!" und ich versuchte mich an den Bewunderern vorbei drängen, sehr zum Mißfallen ihres Rollstuhlschiebers, der die Aufmerksamkeit, die gar nicht ihm galt, sichtlich genoß.
Wir trafen noch auf ihren französischen Verleger, der sie gleich für die nächste Messe in Paris einlud, Ganesh schwang mal wieder große Reden und dann war es auch endlich Zeit für unsere nächste Veranstaltung. Diesmal im Indian National Pavillion, ein "Das Leben und das literarische Werk von Mahasweta Devi".
Es wurde viel über sie gesprochen, die Hütte war voll, es gab einige sehr emotionale Reden über die Art, wie sie einige der Podiumsteilnehmer in ihrer Arbeit beeinflußt habe, und Ganesh Devy ließ sich lang darüber aus, mit welchen Aktionen sie ihn schon seit 10 Jahren jeden Tag beeindruckt und verblüfft. Aber auch ich war erstaunt, wie gefährlich ihr Leben und ihre Arbeit gerade vor 30-40 Jahren wirklich war. Beeindruckend.
Nebenbei erfuhr ich von U R Ananthamurthys Personal Assistant, dass er vorher nicht darüber informiert war, über M. Devi sprechen zu sollen, und so kamen seine Worte wohl so richtig "tief aus dem Herzen". Sehr schön.

Nach der Veranstaltung war natürlich wieder eine Crowd von Menschen um sie herum, mit Autogrammwünschen, Bettelbriefen, Amnesty-Petitionen und anderen ermüdenden Dingen, bis ich rigoros durchgriff und sie einfach aus der Halle schleppte. Leider vergass ich die indischen Verleger, die ebenfalls wieder den Rollstuhl belegten, orderte aber schnell unseren Chauffeur Eddy, der uns befreite und erstmal zurück ins Hotel brachte.
Uff.
Nach dieser Erfahrung hatte die arme Mahasweta Devi nicht mehr die geringste Lust, auf die Messe zu gehen oder überhaupt in Deutschland zu bleiben - und wer kann es ihr verdenken?!
Aber ich lobte ihren Auftritt, rief ihr all die netten Dinge ins Gedächtnis, die über sie gesagt wurden und versprach viiiiel weniger Stress in den kommenden Tagen (ich hatte gelogen ;-) ) und flitzte dann mit Eddy los, chinesisches Essen für alle zu besorgen.
Soweit versöhnt und entspannt schmiedeten wir Pläne für den Abend.
Zwei Dinge standen zur Auswahl - ein Empfang mit großem Fressen und bekannten Leuten, wo sie mal wieder ungefragt als Ehrengast erwartet wurde (das teilte man mir hektisch am Telefon mit, dass in den 14 Tagen sowieso nie stillstand), oder einer persönlichen Einladung des Drehbuchautors Gulzar, dessen Film Lakin im Kino des Deutschen Filmmuseums gezeigt wurde, Gulzar war ebenfalls anwesend.
Sich in Bewunderung sonnen und lecker essen, oder entspannt ins Kino gehen?
Wir entschieden uns für Kino, da konnte Mr. "ich häng mit M.Devi rum und genieße so die ihr zugedachte Aufmerksamkeit" argumentieren und reden, es war entschieden. *lach*
Und wir hatten einen entspannten Abend, den wir uns nach all dem Stress redlich verdient hatten.