Meine Augenoperation

Da ich nun sehr praktisch von der Vergänglichkeit von Festplatten überzeugt wurde, diese Geschichte aber immer schon mal niederschreiben wollte, bleibt ja nur noch der Blog als Archivierungshilfe ;-)

Ich muss zugeben, dass ich mich früher nicht für sonderlich attraktiv gehalten habe. Im Gegenteil, ich war fest davon überzeugt, dass die Jungs, die mit mir rumhingen, mich nach Hause oder ins Kino begleiteten, für etwas nahezu jungenähnliches hielten. Fussballbegeisterung, kurze Haare und eine große Klappe taten ihr übriges. Erst im Nachhinein habe ich erfahren, dass meine Augen da auch nicht ganz unwichtig waren ;-)
Also, der Spiegel war damals nicht gerade mein bester Freund (da ich wenig Probleme mit Hautunreinheiten hatte, musste ich ihn auch deswegen nicht befragen), und so bemerkte ich auch erst spät, dass eines meiner Augen regelmäßig von einem kleinen, leuchtend roten Kügelchen bevölkert wurde, direkt am Eingang des Tränenkanals.
Meine Mutter behandelte diese Entzündung mit irgendeinem Gerstenkorn-Hausmittelchen, und das Ding verschwand, um ein paar Wochen später wiederzukommen.

Also do zum Augenarzt. Der machte mich vor allem dadurch nervös, dass er ein Paar strahlende Augen hatte, eins blau, eins grün. Er verschrieb mir eine Salbe gegen Gerstenkörner und schickte mich wieder nach Hause. Ich muss wohl nicht näher erwähnen dass auch diese Salbe mir nur kurzzeitig half.
Zurück zum Ignorieren des Problems.

Einige Monate später musste ich mich mal wieder zu meinem Hausarzt quälen (hatte ich schon erwähnt, dass ich Arztbesuche hasse, oder kam das zwischen den Zeilen schon durch?), um ein neues Rezept für das Frauenmedikament Effortil zu bekommen, da sah er das Ding an meinem Auge leuchten und schalt mich, warum ich denn nichts dagegen unternähme, es würde mein hübsches Gesicht doch beeinträchtigen (fand ich zwar nicht, aber er darf so mit mir reden, Dr. Christ ist ein guter Arzt).
Er schickte mich zu einem neu in Preetz niedergelassenen Augenarzt, per Überweisung "damit er mir einen Bericht schicken muss, was er mit dir gemacht hat, das interessiert mich".
Als auf zu Dr. Mitz, gutaussehend, kompetent, nett. Genauso wie seine Sprechstundenhilfe.
Sein Kommentar nach Begutachtung dieses Dings und meiner Leidensgeschichte war: "Ist ein Hagelkorn, wird abgeschnitten".
Es stellte sich heraus, dass er zuvor in der rennomierten Bellevue-Augenklinik von Prof. Dr. Uthoff gearbeitet hatte, und genau dorthin wollte er mich schicken, noch ehe ich pieps sagen konnte, war der Termin arrangiert, ich bekam eine schicke Broschüre mit, auf der ganz groß "alle Kassen" prangte, und fieberte nun ängstlich diesem Termin entgegen.

Was würde da passieren? Wenn was schief ginge? Schließlich war es ja nur eine kosmetische OP im weitesten Sinne, ich könnte auch gut ohne diese weiterleben, wenn nun irgendwem das Messer abrutschen würde? Oder ein Arzt den OP-Saal vertauscht?

Mit diesen Gedanken schritt ich die aus weißen Kieseln bestehende Auffahrt zu der Villa hinauf, in der die Augenklinik Bellevue untergebracht ist. Dunkle, gediegene Ledermöbel, wenn ich mich nicht irre, sogar ein Kronleuchter. Dazu ein typischer "niedergelassene Ärzte - Aufnahmetresen". Und die Empfangsdame führte mich sogleich zur Ärztin der Aufnahme, die mir nach langem hin-und-her zwischen den beiden Damen eine halbe Beruhigungstablette verabreichte.
Ab aufs Zimmer, wo ich auf einige Damen weit über 50 traf, die sich dort wegen grünem und grauem Star behandeln lassen wollten. Ich kam mir ganz schön mickrig vor, nur mit meinem Hagelkorn, gleichzeitig auch dankbar, dass ich das Leid der Damen nicht teilen musste. Wie es meine Art ist, schwang ich putzige Reden, für die mich Menschen über 50 so lieben, und - schlief nach einer Pause mitten im Satz einfach ein. Die halbe Tablette wirkte von einem Moment auf den anderen.

Nach einer Ewigkeit (wohl ca. 1,5 h) wurde ich geweckt und in den OP gebracht. Im Dämmerschlaf bekam ich die Gespräche mit, "na, wer ist dass denn?" - "ah, sie kommt von Michael!" - "hat der sich nicht irgendwo selbständig gemacht?" - "guck mal, was für einen schönen Teint sie hat!" ... da tauchte ich so langsam auf der Dämmerung auf und bestätigte meinen Kontakt zu Dr. Mitz und erklärte, dass die Hautfarbe auf 50% indische Gene zurückzuführen sei. "Indisch, ach, da gibt es doch diesen tollen Inder in der Wik.." - "der ist Pakistani" - "wie fühlen sie sich denn?". Ich muss zugeben, ich habe offen Angst gehabt. Und dann kam die Erwiederung, die ich mein Leben nicht vergessen werde: "Stellen Sie sich nicht so an, Sie sind doch kein MANN!"
Da war sogar ich sprachlos, es wurden zwei Spritzen über- und unterhalb des Auges gesetzt, die etwas schmerzten, danach das grüne Tuch über meinem Auge hochgeklappt und ich hörte ein Schneidegeräusch, als wenn man mir die Wimpern abschneiden würde. Als ich mich noch darüber wunderte, hörte ich schon ein "so, erledigt, war doch gar nicht so schlimm, grüßen Sie mal den Michael von uns!", ein dicker Gazebausch auf mein Auge, und ich wurde rausgefahren und durfte in einem Zimmer weiterschlafen.
Dann noch Kaffee und Kuchen in einem Aufenthaltsraum, der den Besucher mit Zertifikaten aller Art, ausgestellt auf Prof.Dr. Uthoff, erschlug, und dann entschied man, dass eine junge Frau nicht übers Wochenende in der Klinik eingesperrt werden sollte, rief meinen Freund an und schon war ich wieder draussen. 2 Tage später zur Nachuntersuchung und das ganze Kapitel war gegessen.

Inzwischen begucke ich mich schon das eine oder andere Mal im Spiegel, aber das Hagelkorn ist nie wieder aufgetaucht. Aber der Satz, vor fast 10 Jahren ausgesprochen, hallt mir immer noch im Ohr nach: "Stellen Sie sich nicht so an, Sie sind doch kein MANN!".